„Lust auf gegenseitiges Verfolgen?“ – Ein Experiment [Gastpost]

17. Juli 2013

Zuletzt aktualisiert am 07.01.2017

„Lust auf gegenseitiges Verfolgen?“ – wer kennt diese Kommentare nicht? Anja von „and so Annie waits“ hat vor einigen Monaten das Experiment Froschkönigin gestartet, heute erzählt sie in einem Gastpost mehr zu ihrem Experiment.

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Meinen Blog „and so Annie waits“ gibt es nun seit über drei Jahren und in dieser Zeit habe ich die Welt der Blogger lieben und schätzen gelernt. Durch meinen Blog habe ich viele Gleichgesinnte kennengelernt, manche von ihnen sogar schon getroffen. Das alles ist schön und gut, aber ich bin auch ein sehr kritischer Mensch, der die negativen Seiten nicht einfach so ausblenden kann. Es gibt etwas an der Blogger-Welt, was mich extrem stört:

Hi, supersüßer Blog! Hast du Lust auf gegenseitiges Verfolgen?

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich den ersten Kommentar dieser Art bekommen habe, aber ich weiß, dass ich mich direkt fragte, was das soll, denn wenn mir ein Blog gefällt, dann folge ich ihm – bedingungslos! Also ignorierte ich diesen Kommentar. Es folgten weitere und auch auf anderen Blogs konnte ich ähnliche Anfragen beobachten. Irgendwann reichte es mir und ich verfasste einen Beitrag, der verkündete, dass ich nichts vom gegenseitigen Verfolgen halte. Es dauerte nicht lange, bis mich wieder jemand fragte, ob ich Lust hätte. „Ähm…nein!?!

Als ich den Blog anklickte, sah ich auf den ersten Blick, dass er mir nicht gefiel. Ein Design, was mich beinahe zur Erblindung brachte. Farben, die nicht zueinander passten. Fotos, die ich selbst mit meiner Handykamera besser hinbekommen würde. Und der zweite Blick? Dünne Texte, Tagebucheinträge, die mich nicht interessierten. „Da hat sich jemand nicht besonders große Mühe gegeben„, dachte ich. Dennoch standen unter den Beiträgen verhältnismäßig viele Kommentare. Als ich diese näher betrachtete, stellte ich schnell fest, dass ich nicht die einzige war, die ihre Anfrage erhalten hatte:

 „Ja klar habe ich Lust, ich mach schon mal den Anfang! Jetzt bist du dran!

 Neugrierig klickte ich mich durch die Blogs ihrer neuen „Bedingungs-Leser“ und meine Vermutung bestätigte sich schnell: Die Dame hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, individuelle Kommentare zu verfassen, sondern verteilte die Anfragen ganz simpel per Copy/Paste.

Ich beobachtete ihren Blog noch eine Weile und stellte fest, dass ihre Leserzahl innerhalb von 1 1/2 Tagen von 32 auf 54 gestiegen war und begann zu grübeln. „Wie schnell man wohl an neue Leser kommen würde mit so einer Methode?“ Warum also nicht einmal selbst ausprobieren. Und schon war es geboren, das…

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Natürlich konnte und wollte ich nicht als „Annie Waits“ solche Kommentare verteilen. Man muss sich selbst ja treu bleiben und man hat einen Ruf zu verlieren! Also musste ein neuer Blog her. So kreierte ich den Blog http://diekleinefroschkoenigin.blogspot.de/ und erfand als Autorin die 15-jährige Bloggerin Lisa-Marie bzw. „Lissy“.

Lissys Beiträge bestanden aus vollkommen unbearbeiteten, aussortierten Fotos (bei denen ich mich im Nachhinein fragte, fragte, wieso sie überhaupt noch auf meiner Festplatte existierten) und einem oberflächlichen Geplänkel, was mich als Leser vollkommen, absolut mal gar nicht interessieren würde.

Nachdem die ersten Posts standen, machte ich mich daran, die besagten Kommentare zu verteilen.

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Ungefährt 15 minuten verbrachte ich damit, diesen Kommentar auf so viele Blogs wie möglich zu klatschen. Dann hieß es, abwarten und Früchtetee trinken. Und siehe da, bereits kurz nach dem ersten Massenkommentieren hatte ich meine ersten drei „Google Friend Connect“-Leser. Einen Tag später war die Anzahl Lissys Leser auf stolze 16 gestiegen, nach zwei Tagen auf 34.

FOTO_3Bereits nach einer Woche hatte ich ganze 85 Leser angelockt, 5 Posts geschrieben, unter denen sich insgesamt 113 Kommentare befanden. Die 100-Leser-Marke war nach nicht einmal zwei Wochen geknackt und nach drei Wochen lag die Leserzahl bereits bei 150. Dann folge die Endphase meiner Diplomarbeit, weshalb ich mich nicht mehr so sehr um das Experiment kümmern konnte. Aber ich schaffte es dennoch auf fast 200 Leser, bis ich das Experiment nach etwa 3 Monaten beendete und das „Geheimnis“ auf meinem und auf Lissys Blog lüftete.

Ich versuchte mich zu erinnern, wie lange ich mit meinem richtigen Blog gebraucht hatte, bis ich mehr als nur meine zwei Freunde, die ich persönlich kenne, als treue Leser hatte…

A propos treue Leser. Schnell stellte sich heraus: Die Leser sprangen zwar auf das gegenseitige Verfolgen an, aber bis auf ihren „Klar hab ich Lust“-Kommentar ließen die meisten nie wieder etwas von sich hören. Nur die Wenigsten kommentierten direkt zum Inhalt der Beiträge bzw. meldeten sich mehr als ein einziges Mal. Niemandem war aufgefallen, dass ich gegen Ende Mai Fotos von meinem angeblichen Spaziergang am Vortag postete, auf denen die Bäume auf einem Foto keine Blätter trugen (das Foto stammte von einem Spaziergang im April). Ich gab mir keine Mühe mit den Beiträgen, denn ich steckte meine ganze Energie und Zeit in das Copy/Paste’n von Kommentaren.  Die Blogs, bei denen ich meine Kommentare verteilte, schaute ich mir kaum an und nachdem ich meine Anfrage hinterlassen hatte, hieß es „Auf nimmer Wiedersehen!“. Keinen einzigen Blog besuchte ich ein zweites Mal.

Das Experiment hat mir gezeigt, dass diese Anfragen nicht nur nervig sind. Sie sind obendrein auch noch das absoluten Gegenteil von dem, was ich mir unter dem richtigen Bloggen vorstelle. Es hat mich umgehauen, wie schnell ich an so viele Leser mit so wenig Inhalt gekommen bin. Schockierend!

Man kann nur vermuten, was in Bloggern vorgeht, die solche Methoden verwenden. So schnell wie möglich viele Leser sammeln – für das Selbstwertgefühl? Für zukünftige Kooperationspartner, bei denen man abstauben kann? Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, welchen Weg man in der Bloggerwelt einschlagen möchte und auf welchem Wege man sich um neue Leser bemüht.

Wie seht ihr das? Unpersönliche Serien-Kommentare für steigende Leserzahlen – ja oder nein?

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Über mich

Hallo, ich bin Isabelle, 33 Jahre alt und lebe in Konstanz am schönen Bodensee. Auf meinem Blog ÜberSee-Mädchen.de zeige ich vor allem einfache Rezepte für leckeres Essen. Meine Kochkarriere begann mit der Sehnsucht nach Heimatküche wie Grießklöschensuppe oder schwäbischen Wurstspätzle. Seitdem habe ich viele Stunden in der Küche verbracht und allerlei Köstlichkeiten ausprobiert. Sieh dich ein wenig um und lass es dir schmecken.

6 Kommentare

  1. Sehr spannender Bericht! Lustig, ich war glaube ich sogar irgendwann auf dem Blog. Mich nerven solche Kommentare immer sehr aber manchmal sehe ich mr die Blogs an um zu begreifen, warum jemand solche Massensports verteilt. Meistens ist es das gleiche Bild, das du auch beschrieben hast: Lieblose Beiträge, möglichst viele Posts aber wenig Reaktion bzw. nur Kommentare wie „ja gerne, ich hab dich abonniert.“ usw.
    Dabei glaube ich nciht mal, dass die Personen sich absichtlich keine Mühe geben, eher, dass ihnen nicht beuwsst ist, dass die so gewonnenen Leser zwar viele sein mögen, aber dafür sich keineswegs für den Blog interessieren. Sehr schade, aber ich denke dass es vielen auch zu blöd wird, Beiträge zu verfassen ohne dass irgendeine Reaktion in den Kommentaren zu bemerken ist. Meistens wird ja nciht mal der Text durchgelesen, was ich persönlich dann noch trauriger find, vor allem wenn pro Post ohnehin nur ein/zwei Sätze dabeistehen. Auf jeden Fall ein gutes Experiment und ich stimme dir zu: Die Masse an Leser macht es nicht aus. Ich habe auch lange mit einer Hand voll Leser herumgedümpelt aber war superhappy wenn ich an den Kommentaren bemerkt habe, dass sich die Leute auch wirklich auf die Posts beziehen. Und das ist finde ich immer so, egal ob mit 1 oder mit 100 Lesern.

    GLG
    Charlotte

  2. Mir fällt dieses Phänomen auch auf. Nicht nur unter den Bloggern, sondern auch bei Facebook, Instagram oder Twitter. Ich finde das ist ein allgemeines Problem im Internet geworden. Viele beziehen ihr Selbstbewusstsein nur noch aus dem Web und wie viele ihnen folgen und mit wie vielen sie „befreundet“ sind. Mir tun solche Menschen immer sehr Leid. Das Leben und damit auch der Inhalt geht doch vollkommen an denen vorbei. Was sind das für Personen? Es ist sehr schade wie groß die Medieninkompetenz ist.
    Danke, dass du das mal getestet hast :)

    Liebe Grüße von einer Nicht- Bloggerin

    Julia

  3. Danke für diesen Artikel und den Hinweis auf dieses interessante Experiment. Mein Blog ist wahrscheinlich nicht bekannt genug, um solche gegenseitig-folgen-Anfragen zu bekommen. Aber ich habe oft Leute, die meine Kommentare auf ihren Blog unter dem nächstbesten Blogeintrag auf MEINEM Blog „beantworten“. Ich finde das so unhöflich und ignorant, einfach die Inhalte meines Blogeintrags zu ignorieren. Hauptsache, man bekommt möglichst viele Kommentare und Leser. Ich habe einige Blogger schon darauf hingewiesen, dass ich nur Kommentare zum Thema möchte und auch woanders kommentiere, wenn ich keine „Antwort“ bekomme. Sogar einen Hinweis habe ich auf meinen Blog eingefügt, aber den lesen viele wohl auch nicht… Oft hilft nur eins: Woanders keine Kommentare mehr schreiben, obwohl man die Blogs ja im Grunde gerne liest. Dann gibt’s auch keinen Antwort-Spam mehr. Schade, aber wahr.

  4. Nun, was soll ich sagen? Ich schreibe hier, dass ich „Kommentarantworten“ auf meinem Blog nicht mag, sicherheitshalber steht es dort auch noch mal und was machst du? Schreibst erstmal 10 Sätze zu diesem Thema irgendwo auf meinen Blog, wo es gar nicht hinpasst. Einfach ignorieren und trotzdem machen, weil es die meisten tun. Ich komme mir schon ein bisschen verarscht vor. Und nein, ich freue mich nicht über JEDEN Kommentar, sondern nur über solche, wo ich auch das Gefühl habe, dass sich jemand für meine Blogeinträge interessiert und meine Regeln respektiert. Qualität statt Quantität.

    Wenn mich ein Blogartikel interessiert, dann speicher ich die Seite ab und schaue später noch mal vorbei, ob jemand anderes etwas dazu geschrieben hat. Und alle, die nicht wieder kommen, interessieren sich nicht wirklich dafür. So einfach ist das. Auf einigen Blogs kommen manchmal ganz tolle Diskussionen zustande. Diese Blogs sind lebendig und mitreißend – nicht die, wo ich mich erst durch 20 andere Blogs klicken muss, um die Antwort auf eine interessante Frage zu finden.

    Versteh mich nicht falsch. Ich bin hier, weil ich deinen Blog und deine Blogartikel mag, weil ich hier gerne lese. Wenn du eine andere Einstellung zum Kommentieren hast, ist das auch okay. Du kannst meine Meinung natürlich auch ignorieren, aber dann habe ich keinen Spaß mehr, hier Kommentare zu schreiben und lese einfach still mit.

    1. Dann haben wir in dem Fall wirklich unterschiedliche Vorstellungen vom Kommentieren, denn so wie du es gut findest, ist es nicht meins. Ich klicke mich auch gerne durch die Blogs von Kommentatoren und bleibe dann auch mal hängen. Und zusammenhangslos ist so ein Kommentar dann nicht ganz, weil man ja Bezug auf einen deiner Posts nimmt und dann zum Thema deines Kommentars kommt…
      Aber passt, jedem das seine :) Freue mich so oder so, wenn du mitliest und werde deine Kommentare dann so wie jetzt beantworten ;)

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